Es war einmal…

(Kerstins Sonntagsmärchen: Spinnerei Nr. 1)

… die kluge, vorsichtige Spinne Sapientia. Sie lebte in einem etwas verwilderten Garten mitten im Pfingstrosenbusch und war also eine kluge, aber seit dem Vorfall mit der Artgenossin aus der Nachbarschaft, bei dem sie aus Unvorsichtigkeit ihr linkes Vorderbeinstück verloren hatte, auch eine sehr vorsichtige, um nicht zu sagen ängstliche Spinne. In entscheidenden Situationen konnte sie zwar immer wieder ihren ganzen Mut zusammennehmen (und hinterher meistens auch feststellen, dass es wichtig war, dass sie das getan hatte); aber sie versuchte lieber, gefährlichen Situationen – auch wenn keine bisher lebensgefährlich gewesen war – aus dem Weg zu gehen.

Als kleine Spinne galt ihre größte Angst ironischerweise dem Spinnenarzt (dem, der sich kürzlich so gut um sie gekümmert und bestimmt verhindert hatte, dass sich ihre Beinwunde entzündete und sie schlimmstenfalls noch weitere Beinglieder gekostet hätte): Wenn es ihr als Kind ohnehin schon schlecht ging, wenn sie also krank gewesen war, wurde ihr „geholfen“, indem der Arzt sie entweder mit einer Nadel piekste oder ihrer Mutter riet, sie diese ganz speziellen, ekligen Insekteneier zu fressen, die sie gar nicht mochte und die so schnell auch gar nichts an ihrem Unwohlsein änderten. Aber ihre Mama hatte sie liebevoll unterstützt, die Dinger zu schlucken und ihr erklärt, dass sie die bzw. die „Antibiotika“, die sie enthielten, anscheinend brauchte, um wieder völlig gesund zu werden (obwohl sie sie sogar manchmal heimlich wieder ausgespuckt hatte und trotzdem wieder gesund wurde).

Damit sie in ihrem Leben möglichst wenig krank werden würde und dann auch gar nicht erst zum Arzt müsste, ging sie mit ihrer Spinnenmama natürlich regelmäßig zum Impfen in die Arztpraxis. Leider war sie trotzdem oft krank, denn ihr Immunsystem war einfach kein besonders gutes – vermutlich erblich bedingt. Sapientia wusste, dass einige ihrer Vorfahren auch oft schwer krank gewesen waren, was zu den Zeiten, als sie gelebt hatten, eher früher als später ein Todesurteil war: zu Zeiten als die Spinnenärzte noch nichts von der heilenden Wirkung der antibiotischen Insekteneier wussten, als es teilweise noch weniger Insekten für alle gab als heute – weil sie so viele ihrer Art gewesen waren – und dazu viel mehr natürliche Feinde wie Frösche und Reptilien oder Vögel. Zum Glück konnte ihr heute der Spinnendoktor immer wieder helfen, gesund zu werden; er hatte immer einige der Insekteneier auf Vorrat, und oft gab er ihr sicherheitshalber vorsorglich sogar welche, die Krankheitskeime abtöten würden, die zwar noch gar nicht da waren, sich aber mit Sicherheit dann auch nicht auf ihr ansiedeln würden.

Heute kursierte zwar immer öfters die Behauptung – die komische Käferdame von nebenan war auch dieser Meinung und hat im Vorbeifliegen an einem Wohnzimmer davon wohl sogar schon in der TAGESSCHAU, den Nachrichten der Menschen, gehört, das sei „Pseudo-Sicherheitsdenken nach dem Motto: Wir gehen auf Nummer sicher…“ und würde mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Also, ich vermute eher, dass selbsternannte Wissenschaftler oder Pseudo-Spinnenärzte solchen Unsinn in die Welt bringen, weil sie – obwohl sie zwar studiert haben – anscheinend nicht richtig verstanden haben – dass Impfungen und Antibiotika wichtig sind, um gesund zu bleiben, und unentbehrlich dafür, zu verhindern, dass man noch schlimmer oder immer wieder krank wird.

Der größte Unsinn, der Sapientia zu ihren Sinneshaaren gekommen war, war, dass auch Impfungen nur Pseudosicherheit bieten, weil sie 1. ja immer nur vorsorglich wirkungsvoll sein können, weil es 2. ohnehin viel zu viele Viren gibt, um sich gegen alle, die einem schwachen Immunsystem gefährlich werden könnten, impfen zu lassen, also rechtzeitig Impfstoffe dagegen zu entwickeln, und weil sich 3. Viren wie Bakterien schnell verändern können, so dass entweder der Impfstoff wirkungslos bleibt oder mit der Zeit gar keine Krankheitssymptome mehr auftreten, die Viren also „ungefährlich“ werden würden.
Es gibt sogar einige Verrückte, die behaupten, dass Krankheiten, vor denen Impfungen effektiv schützen, den meisten Spinnen in diesem Garten und allen angrenzenden überhaupt nichts ausmachen sollen – weil Viren in der Natur immer „nur“ sehr kranken und schwachen Individuen, die auch sonst keine großen bzw. langen Überlebenschancen hätten, lebensgefährlich werden. Wie kann man denn so naiv oder dumm sein und das einfach behaupten? Sehen die nicht, wie viele hier – körperlich oder geistig – krank und schwach sind? Nur weil es hier genug Nahrung, sichere, aber auch viele einfach nur schöne Plätzchen gibt, viele andere freundliche Wesen, mit denen man kommunizieren oder sich anderweitig austauschen und aushelfen kann, und momentan keine Gefahr besteht, dass man sein Zuhause verliert, kann sich das doch alles sofort ändern!
Wie oft hatte es Sapientia schon in der klugen Spinnenverwandtschaft gehört? „Vorsorge ist besser als Nachsehen!“
Gut, dass sie heute bei ihrem Spinnenarzt die Möglichkeit zur Gesundheitsvorsorge hat; gut, dass der ihr immer etwas geben kann, Medizin, durch die sie lange gesund (obwohl „am Leben“ vielleicht ehrlicher wäre…) bleibt!

Manchmal hatte sich die kluge Spinne zwar schon gefragt, warum manche Spinnen, die sich nicht einmal mehr impfen lassen und auch sonst Medikamente verweigern, irgendwie nie krank oder viel schneller als sie selbst wieder gesund werden; warum einige davon angeblich sogar keine Angst davor haben, in Kontakt mit ganz neuen, gefährlichen Bakterien oder Viren zu kommen (sie setzen sogar den Begriff „Krankheitserreger“ in Anführungszeichen!). Und ihr war unverständlich, warum es keine Gesundheitsforschung gab – die versuchte, sich Gesunde als Vorbild zu nehmen – und stattdessen nur eine Medikamenten- und Impfstoffforschung… Aber vermutlich war sie zwar eine kluge Spinne, aber einfach nicht klug genug, das zu verstehen.

Und deshalb würde sie vermutlich nicht immer gesund (wer ist schon immer gesund?), aber doch glücklich bis an ihr Ende in einem vor anderen sicheren und auch antimikrobiellen Zuhause leben! Momentan bot ihr die Pfingstrose genug Verstecke und war so gut mit Sonnenlicht, Wasser und Nährstoffen versorgt, dass sie eine sehr gesunde, natürliche Abwehr gegen das Wachstum oder die Vermehrung von Bakterien, Viren oder Pilze hatte, und die dadurch verhinderte, dass diese Sapientia gefährlich werden konnten. Sobald sich daran allerdings etwas ändern sollte, würde sie sich natürlich ein neues, sichereres Zuhause suchen, vor allem in ausreichendem Sicherheitsabstand zu anderen Lebewesen, die mit weiß Gott was infiziert waren oder ihr anderweitig gefährlich werden konnten. Sicher ist sicher – zum Glück war sie so klug, das zu wissen!

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Dank für das Foto gebührt Mathias Csader, natur-highlights.de, und der Spinne und Pfingstrose in unserem Garten dafür, dass sie mich zu dieser Geschichte inspiriert haben.

Was hat Tiergesundheit eigentlich mit der Be- und Erziehung zu tun?

Ernährung, Bewegung, Naturheilkunde – hier sind sich wahrscheinlich viele Menschen mittlerweile einig, dass sie Einfluss auf die Gesundheit von Mensch und Tier zu tun haben: einseitige Ernährungsformen können für Mangelerscheinungen verantwortlich sein, zu wenig oder zu einseitige Bewegungen werden in Zusammenhang mit Verschleißerscheinungen gebracht, mit Naturheilkunde kann die Heilung von Wehwehchen oft nebenwirkungsfreier als mit synthetisch hergestellten Medikamenten unterstützt werden. (Vermutlich weil viele Wirkstoffe in der Natur auch über die Ernährung aufgenommen werden und sich tierische Organismen daran gewöhnen und über lange Zeit Mechanismen gegen Nebenwirkungen entwickeln konnten.)

Aber wie komme ich darauf, die Beziehung zum eigenen Tier – und damit verbunden auch seine Erziehung – in so engem Zusammenhang mit seinem Gesundheitszustand zu sehen?
Es waren viele Beobachtungen notwendig, um diesen Schluss für mich zu ziehen. Vor allem, seitdem ich Hundehalterin bin.
Weil ich immer wieder diese Parallelen sehe, nicht nur bei anderen, sondern genauso in meinem eigenen Rudel: entspanntes Herrchen/Frauchen – entspannter Hund, nervöses Herrchen/Frauchen – ängstlicher Hund, krankes Herrchen/Frauchen – kranker Hund.
Wie sehr sich Krankheitsbilder ähneln können grenzt manchmal schon an Zauberei.

Ich bin mittlerweile überzeugt, dass sich Mensch und Tier im täglichen Zusammenleben – bewusst oder unbewusst – einfach aneinander anpassen, so wie es Lebewesen in der Natur schon immer getan haben, um zu überleben; der Hund, der von Natur aus an ein Zusammenleben in der Gruppe gewöhnt ist, wahrscheinlich mehr als die meisten anderen, in meinen Augen aber jedes andere Haustier genauso, wenn auch in viel geringerem Umfang: Wenn man nicht abhauen und sich ein neues Plätzchen für sich alleine suchen kann oder will, versucht man sich möglichst wenig Stress einzuhandeln und in ein bestehendes System einzuordnen – indem man z.B. Dinge übernimmt oder nachahmt von denen, die schon da sind oder die sogar das Sagen haben. Ich kann den Mechanismus nicht im Einzelnen erklären, aber es ist für mich oft zu offensichtlich, wie viel v.a. Hunde durch ihre Beobachtungen von uns Menschen übernehmen, als dass ich daran zweifeln würde, dass es auch bei Krankheitssymptomen halt machen würde.

Da es aber nicht nur diese Mensch-Tier-Beziehungen gibt, in denen sich beide Seiten immer ähnlicher zu werden scheinen, scheint es bei anderen auch möglich zu sein, trotz vieler Unterschiede über lange Zeit friedlich miteinander zu leben. Vielleicht ja sogar umso länger, je besser diese Beziehung ist?
Ich würde eine gute Beziehung so definieren, dass es untereinander wenig Stress gibt bzw. dass man Stresssituationen gemeinsam schnell wieder unter Kontrolle bringt. Und das nicht nur im trauten Heim, sondern auch vor der Tür, in Anwesenheit von immer wieder neuen Stressfaktoren, für alle oder auch nur für einen der Beteiligten.
Stress macht auf Dauer krank bzw. verhindert die Selbstregulierung und –heilungskräfte von lebenden Organismen. Weil er Energie kostet, die hinterher durch Erholung wieder „aufgefüllt“ werden muss, um Heilungsprozesse in Gang zu setzen.
Das Stressempfinden eines Tieres ist von den eigenen Erfahrungen im Leben geprägt und sehr individuell, aber es kann bis ins hohe Alter positiv, aber auch negativ beeinflusst werden. Zumindest sagen mir das die Beobachtungen an Tierheimtieren, die in einem neuen Heim alle Anzeichen von Stress – Aggressionen, Depressionen, Übersprungshandlungen – hinter sich lassen konnten oder auch ganz neue entwickelt haben.

Daher sind für mich Beziehungsarbeit und Erziehung in erster Linie Stressbewältigungsmaßnahmen, die Sicherheit und Vertrauen schaffen und dem Körper eines Tieres dadurch genug Energieressourcen frei lassen, um gesund zu bleiben.
Dabei hat Erziehung für mich nichts oder zumindest wenig mit Härte oder Strenge zu tun, sondern mit Konsequenz und Durchhaltevermögen, also eher Härte gegen sich selbst statt gegen das Tier!
Ich wünschte ich könnte sagen, wir hätten unsere Hündin schon „gut erzogen“ (auch wenn ich mir bewusst war, dass das bei einem knapp 14-jährigen Exemplar etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen könnte!)… Wenn ich immer mal wieder feststelle, wie wenig sie mir in manchen Situationen vertraut, weiß ich, dass noch viel Arbeit vor uns, aber wahrscheinlich vor allem vor mir liegt.

Ich hoffe, ich werde in Zukunft aus meinen Erfahrungen noch viele Erkenntnisse gewinnen und kann die dann vielen Menschen weitergeben, die wie ich überzeugt sind, dass man mit einer guten Mensch-Tier-Beziehung ziemlich gute Voraussetzungen für ein langes, gesundes Leben – auf beiden Seiten – schafft.