Es war einmal…. Eine längere Geschichte vom „Spiel des Lebens“

Teil I. Wie die Spielregeln entstanden

Niemand weiß, wer sie hatte oder woher die Idee kam (aber wer weiß schon, woher Ideen kommen?) – eines Tages war sie vielleicht aus Langeweile, vielleicht aus einem kreativen Impuls heraus geschaffen: Die Idee zum Spiel des Lebens.
Es sollte ein ewiges Spiel sein, es sollte dabei immer spannend, „lebendig“, bleiben und sich ewig weiter entwickeln; alle Mitspieler sollten selbst die Spielfiguren sein und das Spiel aktiv mitgestalten können, sie sollten bestimmte Voraussetzungen und Fähigkeiten haben, aber auch lernfähig und kreativ sein, um sich neue Kenntnisse aneignen und persönlich weiter entwickeln oder diese auch an andere weitergeben und sich sogar selbst fortpflanzen zu können; alles Spielmaterial, das zur Verfügung stand, musste zu jeder Zeit (sinnvoll) benutzt werden und es würde niemals zusätzliches geben.

Es hatte lange gedauert – Milliarden Jahre, aber was ist das schon im Vergleich zur Ewigkeit – bis ein geeignetes Spielfeld feststand, also geschaffen worden war. Aber wer selbst kreativ tätig ist, weiß vermutlich, wie lange manche Projekte dauern können, und kann nachvollziehen, dass sich Fortschritte manchmal sehr langsam entwickeln, bis sie sich wenigstens zufriedenstellend anfühlen; dass immer wieder Veränderungen, Anpassungen, Ergänzungen notwendig werden können, bis das Ergebnis „gut“, „richtig“, „vollständig“ oder „fertig“ scheint – auch wenn es natürlich immer noch weiter verändert werden könnte.
Jedenfalls wurden für das Spielfeld unendlich viele Möglichkeiten auf ihre Tauglichkeit als Lebensraum parallel getestet. Sie hatten alle eine Kugelform gemeinsam, weil auch das Spielfeld endlos sein sollte. Damit diese Kugeln zusammen- und sowohl ihren Platz im Raum als auch ihre Balance behielten, so dass keine Spielfigur zukünftig herunterpurzeln würde, ergaben sie dadurch für das Spiel die ersten, unabänderlichen (physikalischen) Gesetze bzw. Kräfte wie Magnetismus und Schwerkraft, die überall gültig waren bzw. wirkten, auch wenn unter den unterschiedlichsten (Umgebungs-)Bedingungen die Auswirkungen natürlich stark unterschiedlich aussahen.
Manche Entwürfe waren glühende Feuerbälle, leuchtende Gasriesen oder Eiskugeln –, aber da sie Spielern keine vielfältigen (Über-)Lebensmöglichkeiten bieten und dadurch auch wenig Spannung liefern würden, fielen die zwar beeindruckendsten, aber damit zu „extremen“ Kandidaten für Lebewesen schnell aus der Auswahl. Sie blieben aber Teil der Umgebung, weil ja die Prämisse für das Spiel gewesen war, alles verfügbare Material zu nutzen und sinnvoll einzusetzen – vielleicht würden sie irgendwann im Laufe der Spielentwicklung doch noch gebraucht werden.
Ein ziemlich kleiner Planet namens Erde bot dann irgendwann die perfekten, vielfältigen, aber in ausbalancierten Verhältnissen stehenden (Lebens-)Bedingungen, um ein Spiel einfach zu beginnen: es gab von Anfang an etwas zu entdecken, selbst wenn man sich nicht von der Stelle bewegte: es wurde hell und dunkel, wärmer und kälter, so dass es Anreize gab, den eigenen Standort zu verlassen; und wenn man den Ort verließ, an dem man war, veränderte sich die Umgebung. Es gab Flüssigkeiten und Gase, durch die man sich tragen lassen oder aktiv durchschwimmen oder -fliegen konnte, aber auch festen, massiven Untergrund, für dessen Überquerung man sich eine Fortbewegungsweise einfallen lassen musste.

Die ersten einfachen Wesen, die sich aufgrund der Anziehungs- und Abstoßungsgesetze aus verschiedenen Bausteinen, Atomen, erst zu einfachen Molekülen und dann zu übergeordneten festen und/oder flüssigen Strukturen zusammengesetzt und gegen ihre Außenwelt mit einer Hülle abgegrenzt hatten, wiesen noch keine Anzeichen von eigenständigem Leben auf wie spontane, selbstgesteuerte Bewegungen und Reaktionen auf äußere Reize (z.B. das Meiden von Gefahren, aber auch das neugierige Auskundschaften neuer Umgebungen, von Ob- oder Subjekten). Erst als zwei verschiedene dieser Strukturen – die einen eine „tote“ Zellen, die anderen „totes“ Genmaterial – aufeinandertrafen und verschmolzen, fingen diese erste Organismen, diese ersten Lebewesen an, sich verändern zu wollen: sie lernten zu wachsen, entweder, indem sie erneut mit anderem Spielmaterial, Bausteinen, oder schon fertigen anderen Zellen verschmolzen, sie dabei sozusagen auffraßen oder sich von ihnen auffressen ließen. Und sie lernten, sich wieder zu teilen. Es war erstaunlich, welche Formen sie sich alle einfallen ließen, zu welchen neuen Organismen sie sich zusammentaten, um sich die Zeit zu vertreiben, die ja ewig war.
Schnell stand aber fest, weil Lebewesen eben so ihre Eigenheiten entwickeln und nicht alle gleich schnell größer wurden, während sie sich weiterentwickelten, dass es – zusätzlich zu den festen Gesetzen, die schon verhinderten, dass immer alles möglich war – weitere Grenzen für die Spieler gesetzt werden mussten: es wurden „die Spielregeln des Lebens“ aufgestellt, damit es z.B. für langsamere bzw. kleinere Mitspieler immer wieder neue Chancen geben würde aufzuholen oder Lebensräume zu besiedeln, die vorher Andere – Größere, Stärkere, kreativ-Schlauere, „Höherentwickelte“ – besetzt hatten.
Wer sich nicht an die hielt, flog ‘raus.

Und die erste lautete: Wer im Vergleich zu allen anderen zu stark oder zu schnell wächst, so dass das Gleichgewicht des gesamten Spiels zu sehr gestört wird, wird damit nicht lange überleben.

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Dank für das Foto gebührt Mathias Csader: http://natur-highlights.de

Es war einmal…

(Kerstins Sonntagsmärchen: Spinnerei Nr. 1)

… die kluge, vorsichtige Spinne Sapientia. Sie lebte in einem etwas verwilderten Garten mitten im Pfingstrosenbusch und war also eine kluge, aber seit dem Vorfall mit der Artgenossin aus der Nachbarschaft, bei dem sie aus Unvorsichtigkeit ihr linkes Vorderbeinstück verloren hatte, auch eine sehr vorsichtige, um nicht zu sagen ängstliche Spinne. In entscheidenden Situationen konnte sie zwar immer wieder ihren ganzen Mut zusammennehmen (und hinterher meistens auch feststellen, dass es wichtig war, dass sie das getan hatte); aber sie versuchte lieber, gefährlichen Situationen – auch wenn keine bisher lebensgefährlich gewesen war – aus dem Weg zu gehen.

Als kleine Spinne galt ihre größte Angst ironischerweise dem Spinnenarzt (dem, der sich kürzlich so gut um sie gekümmert und bestimmt verhindert hatte, dass sich ihre Beinwunde entzündete und sie schlimmstenfalls noch weitere Beinglieder gekostet hätte): Wenn es ihr als Kind ohnehin schon schlecht ging, wenn sie also krank gewesen war, wurde ihr „geholfen“, indem der Arzt sie entweder mit einer Nadel piekste oder ihrer Mutter riet, sie diese ganz speziellen, ekligen Insekteneier zu fressen, die sie gar nicht mochte und die so schnell auch gar nichts an ihrem Unwohlsein änderten. Aber ihre Mama hatte sie liebevoll unterstützt, die Dinger zu schlucken und ihr erklärt, dass sie die bzw. die „Antibiotika“, die sie enthielten, anscheinend brauchte, um wieder völlig gesund zu werden (obwohl sie sie sogar manchmal heimlich wieder ausgespuckt hatte und trotzdem wieder gesund wurde).

Damit sie in ihrem Leben möglichst wenig krank werden würde und dann auch gar nicht erst zum Arzt müsste, ging sie mit ihrer Spinnenmama natürlich regelmäßig zum Impfen in die Arztpraxis. Leider war sie trotzdem oft krank, denn ihr Immunsystem war einfach kein besonders gutes – vermutlich erblich bedingt. Sapientia wusste, dass einige ihrer Vorfahren auch oft schwer krank gewesen waren, was zu den Zeiten, als sie gelebt hatten, eher früher als später ein Todesurteil war: zu Zeiten als die Spinnenärzte noch nichts von der heilenden Wirkung der antibiotischen Insekteneier wussten, als es teilweise noch weniger Insekten für alle gab als heute – weil sie so viele ihrer Art gewesen waren – und dazu viel mehr natürliche Feinde wie Frösche und Reptilien oder Vögel. Zum Glück konnte ihr heute der Spinnendoktor immer wieder helfen, gesund zu werden; er hatte immer einige der Insekteneier auf Vorrat, und oft gab er ihr sicherheitshalber vorsorglich sogar welche, die Krankheitskeime abtöten würden, die zwar noch gar nicht da waren, sich aber mit Sicherheit dann auch nicht auf ihr ansiedeln würden.

Heute kursierte zwar immer öfters die Behauptung – die komische Käferdame von nebenan war auch dieser Meinung und hat im Vorbeifliegen an einem Wohnzimmer davon wohl sogar schon in der TAGESSCHAU, den Nachrichten der Menschen, gehört, das sei „Pseudo-Sicherheitsdenken nach dem Motto: Wir gehen auf Nummer sicher…“ und würde mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Also, ich vermute eher, dass selbsternannte Wissenschaftler oder Pseudo-Spinnenärzte solchen Unsinn in die Welt bringen, weil sie – obwohl sie zwar studiert haben – anscheinend nicht richtig verstanden haben – dass Impfungen und Antibiotika wichtig sind, um gesund zu bleiben, und unentbehrlich dafür, zu verhindern, dass man noch schlimmer oder immer wieder krank wird.

Der größte Unsinn, der Sapientia zu ihren Sinneshaaren gekommen war, war, dass auch Impfungen nur Pseudosicherheit bieten, weil sie 1. ja immer nur vorsorglich wirkungsvoll sein können, weil es 2. ohnehin viel zu viele Viren gibt, um sich gegen alle, die einem schwachen Immunsystem gefährlich werden könnten, impfen zu lassen, also rechtzeitig Impfstoffe dagegen zu entwickeln, und weil sich 3. Viren wie Bakterien schnell verändern können, so dass entweder der Impfstoff wirkungslos bleibt oder mit der Zeit gar keine Krankheitssymptome mehr auftreten, die Viren also „ungefährlich“ werden würden.
Es gibt sogar einige Verrückte, die behaupten, dass Krankheiten, vor denen Impfungen effektiv schützen, den meisten Spinnen in diesem Garten und allen angrenzenden überhaupt nichts ausmachen sollen – weil Viren in der Natur immer „nur“ sehr kranken und schwachen Individuen, die auch sonst keine großen bzw. langen Überlebenschancen hätten, lebensgefährlich werden. Wie kann man denn so naiv oder dumm sein und das einfach behaupten? Sehen die nicht, wie viele hier – körperlich oder geistig – krank und schwach sind? Nur weil es hier genug Nahrung, sichere, aber auch viele einfach nur schöne Plätzchen gibt, viele andere freundliche Wesen, mit denen man kommunizieren oder sich anderweitig austauschen und aushelfen kann, und momentan keine Gefahr besteht, dass man sein Zuhause verliert, kann sich das doch alles sofort ändern!
Wie oft hatte es Sapientia schon in der klugen Spinnenverwandtschaft gehört? „Vorsorge ist besser als Nachsehen!“
Gut, dass sie heute bei ihrem Spinnenarzt die Möglichkeit zur Gesundheitsvorsorge hat; gut, dass der ihr immer etwas geben kann, Medizin, durch die sie lange gesund (obwohl „am Leben“ vielleicht ehrlicher wäre…) bleibt!

Manchmal hatte sich die kluge Spinne zwar schon gefragt, warum manche Spinnen, die sich nicht einmal mehr impfen lassen und auch sonst Medikamente verweigern, irgendwie nie krank oder viel schneller als sie selbst wieder gesund werden; warum einige davon angeblich sogar keine Angst davor haben, in Kontakt mit ganz neuen, gefährlichen Bakterien oder Viren zu kommen (sie setzen sogar den Begriff „Krankheitserreger“ in Anführungszeichen!). Und ihr war unverständlich, warum es keine Gesundheitsforschung gab – die versuchte, sich Gesunde als Vorbild zu nehmen – und stattdessen nur eine Medikamenten- und Impfstoffforschung… Aber vermutlich war sie zwar eine kluge Spinne, aber einfach nicht klug genug, das zu verstehen.

Und deshalb würde sie vermutlich nicht immer gesund (wer ist schon immer gesund?), aber doch glücklich bis an ihr Ende in einem vor anderen sicheren und auch antimikrobiellen Zuhause leben! Momentan bot ihr die Pfingstrose genug Verstecke und war so gut mit Sonnenlicht, Wasser und Nährstoffen versorgt, dass sie eine sehr gesunde, natürliche Abwehr gegen das Wachstum oder die Vermehrung von Bakterien, Viren oder Pilze hatte, und die dadurch verhinderte, dass diese Sapientia gefährlich werden konnten. Sobald sich daran allerdings etwas ändern sollte, würde sie sich natürlich ein neues, sichereres Zuhause suchen, vor allem in ausreichendem Sicherheitsabstand zu anderen Lebewesen, die mit weiß Gott was infiziert waren oder ihr anderweitig gefährlich werden konnten. Sicher ist sicher – zum Glück war sie so klug, das zu wissen!

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Dank für das Foto gebührt Mathias Csader, natur-highlights.de, und der Spinne und Pfingstrose in unserem Garten dafür, dass sie mich zu dieser Geschichte inspiriert haben.

Das Yin und Yang des Körperkontakts

Unsere Terrier-Hündin Peppie sucht in meinen Augen zwar insgesamt viel Blick-Nähe zu uns Menschen, ihren Rudelmitgliedern, aber eher selten längeren, direkten Körperkontakt. Ich habe keinen Vergleich zu anderen Hunden, weil ich sonst nur mit Katzen zusammengelebt habe (die sich oft überall und stundenlang gerne dazu gequetscht haben!); aber ich vermute, dass es bei Peppie unter anderem mit traumatischen Erfahrungen im Welpenalter zu tun hat, die sie nicht so leicht Vertrauen zu Menschen fassen lässt, zumindest nicht so viel, dass sie sich auch für längere Zeit entspannt neben sie legen könnte.
Sie schläft nachts generell in ihrem „Hundebett“ in unserem Schlafzimmer, verlangt aber vor allem morgens doch meistens Einlass in unsere große Version (seitdem sie nicht mehr selbst hineinspringen kann, wie sie es vorher einfach getan hat). Sie begnügt sich auch im Wohnbereich oft mit ihren „Kuschelkörbchen“, und wenn sie z.B. doch hoch zu uns auf die Couch möchte (sie bettelt nicht sehr deutlich, sondern stellt sich einfach demonstrativ davor), bleibt sie selten lange direkt neben uns liegen, sondern begibt sich auf die Decke, die dort am anderen Ende der Couch für sie platziert ist.
Da sich Peppie schon fast ein Jahrzehnt länger an Mathias als festen Teil ihres Rudels gewöhnen konnte, ist auch er immer noch die erste Wahl, wenn sie einmal einen Schlafplatz mit direktem Körperkontakt sucht; und da sie das sehr selten macht, vermuten wir, dass es ihr in diesen Momenten nicht besonders gut geht und sie jemanden zum Anlehnen braucht (vor allem, wenn ein schlechter Blutzuckerwert uns einen zusätzlichen Hinweis darauf liefert).

Von sexuellen Handlungen abgesehen, suchen die meisten Tiere direkten Körperkontakt zu anderen eher selten. Da sie zum Überleben auf ihre körperliche Unversehrtheit angewiesen sind, nähern sie sich möglichen Gefahrenquellen – auch in Form von Artgenossen – selbst oder besonders zur Paarungszeit eher vorsichtig, respektvoll, und lassen direkte Nähe vermutlich zu, wenn sie sich alleine bzw. schwach fühlen, wenn sie Halt oder Hilfe suchen, also beschützt werden wollen. Als „sozial“ bezeichnete Tierarten, zu denen auch wir Menschen gehören, Tiere also, die mehr oder weniger auf ein Leben in einer Gruppe, auf sozialen Halt, angewiesen sind, um in der Natur überleben zu können, scheinen liebevolle Berührungen sogar für ihr Überleben in der Kindheit zu brauchen: auch wenn z.B. die Waisenkinderversuche Friedrich II im Mittelalter nicht gesichert belegt sind, haben vor nicht allzu langer Zeit sowohl das Ärzteblatt als auch der Deutschlandfunk und GEO vermutlich nicht zum 1. Mal darüber berichtet. Dass auch erwachsene Menschen nicht nur für ihr seelisches Glück, sondern auch für ihre körperliche Gesundheit darauf angewiesen sind, daran besteht nicht nur für mich, sondern auch für Quarks im Westdeutschen Rundfunk kein Zweifel.
Als Gegenpart zur Suche nach Schutz nehmen Tiere, die eine Eltern-, Helferrolle oder Führungsposition übernommen haben, ihre „Schutzbefohlenen“ gerne in Schutz, nehmen sie „an die Hand“, um ihnen alles Überlebenswichtige beizubringen, gehen ihnen „zur Hand“, helfen also, wo sie noch Hilfe benötigen, oder nutzen bei Gefahr sogar ihren eigenen Körper als Schutzschild, um das Leben von Hilfsbedürftigen zu schützen.

In der Natur gilt es immer abzuwägen: Nehme ich die Gefahr des direkten Körperkontaktes zu anderen in Kauf, nehme ich in Kauf, dass sie mich leicht angreifen und verletzen können; möchte ich mich direkt ihren Bakterien und Viren aussetzen, die mich krank machen könnten, weil sie neu für mich sind?
Oder wiegen für mich die Vorteile des engen körperlichen Zusammenseins und -haltes mehr, z.B. gegen Kälte, gegen Angriffe anderer Gruppen von außen oder um mit gemeinsamen Körperkräften oder anderen -fähigkeiten etwas Größeres zu schaffen, als es mir alleine möglich wäre.

Einen gewissen, respektvollen Abstand zu anderen einzuhalten kann sicherer sein – direkter Körperkontakt war, ist und bleibt in der Natur und in unserer Zivilisation immer mit Risiken verbunden; aber viele Erfahrungen und Möglichkeiten können alleine nicht gemacht bzw. umgesetzt werden. Deshalb wählen z.B. wir Menschen sorgfältig aus, wem wir genug Vertrauen entgegen bringen, um uns ihm/ihr vielleicht schutzlos auszuliefern, und setzen – beruhend auf unseren Erfahrungen oder auch unserem Bauchgefühl – Grenzen, deren Überschreitung wir – genau wie jedes Tier – als persönlichen Angriff auffassen. Leider sind diese Grenzen unsichtbar, und ich bin heute sicher, dass ich in meinem bisherigen Leben schon mehr als eine überschritten habe, wenn ich fremde Menschen zur Begrüßung einfach umarmt habe. Für mich blieb das bisher ohne schlimme Folgen; vermutlich weil ich zu klein bin, um bedrohlich zu wirken, und weil bei Umarmungen normalerweise Glückshormone wie Oxytocin ausgeschüttet werden, die selbst negative Erfahrungen löschen (https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article130360396/Die-dunklen-Seiten-des-Kuschelhormons-Oxytocin.html), also vielleicht auch die Wirkung ausgeschütteter Stress-, also u.a. Angriffshormone neutralisieren können. Aber woher weiß ich, dass ich in meinem bisherigen Leben noch nie jemanden mit meinen körpereigenen Bakterien und Viren gefährdet habe – vielleicht auch weil er/sie selbst nicht einmal wusste, dass er/sie zu einer Risikogruppe gehört, und mich hätte vorwarnen können? Hat sich darüber bisher irgend jemand Gedanken gemacht? Sollen wir das aber ab von jetzt an bis in alle Zukunft immer tun? Oder dürfen wir endlich wieder selbstverantwortlich entscheiden, wem wir uns nähern möchten, wem wir erlauben möchten, uns zu berühren – weil wir bereit sind, die möglichen Konsequenzen zu tragen – und wem nicht?

Verantwortungsvolle Eltern oder – tierische wie menschliche – „Führungspersönlichkeiten“, bringen ihren Schutzbefohlenen in meinen Augen Eigenverantwortung bei; bringen ihnen bei, zu kommunizieren, zu sagen, was sie (erlauben) möchten und was nicht.
Die anderen, die ihren Schutzbefohlenen nicht vertrauen, ihnen keine Eigenverantwortung zutrauen, greifen auf feste Regeln und Verbote zurück, die unter Strafandrohung durchgesetzt werden…

Ich wünschte mal wieder, ich dürfte mich einfach so verhalten, wie es mir die Natur vormacht, wie es im Tierreich gang und gäbe ist; denn da begegnet mir täglich mehr Vertrauen und Verantwortung, von der nicht nur gesprochen, sondern die tatsächlich getragen wird, als unter Menschen…

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Dank für das Foto gebührt Mathias Csader, natur-highlights.de