Was hat Tiergesundheit eigentlich mit der Be- und Erziehung zu tun?
Ernährung, Bewegung, Naturheilkunde – hier sind sich wahrscheinlich viele Menschen mittlerweile einig, dass sie Einfluss auf die Gesundheit von Mensch und Tier zu tun haben: einseitige Ernährungsformen können für Mangelerscheinungen verantwortlich sein, zu wenig oder zu einseitige Bewegungen werden in Zusammenhang mit Verschleißerscheinungen gebracht, mit Naturheilkunde kann die Heilung von Wehwehchen oft nebenwirkungsfreier als mit synthetisch hergestellten Medikamenten unterstützt werden. (Vermutlich weil viele Wirkstoffe in der Natur auch über die Ernährung aufgenommen werden und sich tierische Organismen daran gewöhnen und über lange Zeit Mechanismen gegen Nebenwirkungen entwickeln konnten.)
Aber wie komme ich darauf, die Beziehung zum eigenen Tier –
und damit verbunden auch seine Erziehung – in so engem Zusammenhang mit seinem
Gesundheitszustand zu sehen?
Es waren viele Beobachtungen notwendig, um diesen Schluss für mich zu ziehen.
Vor allem, seitdem ich Hundehalterin bin.
Weil ich immer wieder diese Parallelen sehe, nicht nur bei anderen, sondern
genauso in meinem eigenen Rudel: entspanntes Herrchen/Frauchen – entspannter
Hund, nervöses Herrchen/Frauchen – ängstlicher Hund, krankes Herrchen/Frauchen
– kranker Hund.
Wie sehr sich Krankheitsbilder ähneln können grenzt manchmal schon an Zauberei.
Ich bin mittlerweile überzeugt, dass sich Mensch und Tier im täglichen Zusammenleben – bewusst oder unbewusst – einfach aneinander anpassen, so wie es Lebewesen in der Natur schon immer getan haben, um zu überleben; der Hund, der von Natur aus an ein Zusammenleben in der Gruppe gewöhnt ist, wahrscheinlich mehr als die meisten anderen, in meinen Augen aber jedes andere Haustier genauso, wenn auch in viel geringerem Umfang: Wenn man nicht abhauen und sich ein neues Plätzchen für sich alleine suchen kann oder will, versucht man sich möglichst wenig Stress einzuhandeln und in ein bestehendes System einzuordnen – indem man z.B. Dinge übernimmt oder nachahmt von denen, die schon da sind oder die sogar das Sagen haben. Ich kann den Mechanismus nicht im Einzelnen erklären, aber es ist für mich oft zu offensichtlich, wie viel v.a. Hunde durch ihre Beobachtungen von uns Menschen übernehmen, als dass ich daran zweifeln würde, dass es auch bei Krankheitssymptomen halt machen würde.
Da es aber nicht nur diese Mensch-Tier-Beziehungen gibt, in
denen sich beide Seiten immer ähnlicher zu werden scheinen, scheint es bei
anderen auch möglich zu sein, trotz vieler Unterschiede über lange Zeit friedlich
miteinander zu leben. Vielleicht ja sogar umso länger, je besser diese
Beziehung ist?
Ich würde eine gute Beziehung so definieren, dass es untereinander wenig Stress
gibt bzw. dass man Stresssituationen gemeinsam schnell wieder unter Kontrolle
bringt. Und das nicht nur im trauten Heim, sondern auch vor der Tür, in
Anwesenheit von immer wieder neuen Stressfaktoren, für alle oder auch nur für
einen der Beteiligten.
Stress macht auf Dauer krank bzw. verhindert die Selbstregulierung und –heilungskräfte
von lebenden Organismen. Weil er Energie kostet, die hinterher durch Erholung wieder
„aufgefüllt“ werden muss, um Heilungsprozesse in Gang zu setzen.
Das Stressempfinden eines Tieres ist von den eigenen Erfahrungen im Leben
geprägt und sehr individuell, aber es kann bis ins hohe Alter positiv, aber
auch negativ beeinflusst werden. Zumindest sagen mir das die Beobachtungen an
Tierheimtieren, die in einem neuen Heim alle Anzeichen von Stress –
Aggressionen, Depressionen, Übersprungshandlungen – hinter sich lassen konnten
oder auch ganz neue entwickelt haben.
Daher sind für mich Beziehungsarbeit und Erziehung in erster Linie Stressbewältigungsmaßnahmen, die Sicherheit und Vertrauen schaffen und dem Körper eines Tieres dadurch genug Energieressourcen frei lassen, um gesund zu bleiben.
Dabei hat Erziehung für mich nichts oder zumindest wenig mit Härte oder Strenge zu tun, sondern mit Konsequenz und Durchhaltevermögen, also eher Härte gegen sich selbst statt gegen das Tier!
Ich wünschte ich könnte sagen, wir hätten unsere Hündin schon „gut erzogen“ (auch wenn ich mir bewusst war, dass das bei einem knapp 14-jährigen Exemplar etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen könnte!)… Wenn ich immer mal wieder feststelle, wie wenig sie mir in manchen Situationen vertraut, weiß ich, dass noch viel Arbeit vor uns, aber wahrscheinlich vor allem vor mir liegt.
Ich hoffe, ich werde in Zukunft aus meinen Erfahrungen noch viele Erkenntnisse gewinnen und kann die dann vielen Menschen weitergeben, die wie ich überzeugt sind, dass man mit einer guten Mensch-Tier-Beziehung ziemlich gute Voraussetzungen für ein langes, gesundes Leben – auf beiden Seiten – schafft.